Rettungsschirme sind über die Jahre deutlich leichter geworden. Das bringt nicht nur Vorteile. Manche Gewichtsersparnis kann zu Lasten der Sicherheit oder Haltbarkeit gehen.

Alle Folgen der Serie gibt es hier: Serie Retterwissen.

Gewichtsangaben eines Retters sollten den Innencontainer
mit einschließen. // Quelle: Lu-Glidz
Die Hersteller von Rettungsschirmen sind in den vergangenen Jahren dem gleichen Trend gefolgt wie bei den Gleitschirmen: Das Systemgewicht wurde deutlich reduziert. Standard-Rundkappen mit rund 36 m² Fläche wogen vor über zehn Jahren noch mehr als zwei Kilogramm. Mittlerweile steht bei vergleichbaren Kappen neuerer Bauart bei den Gewichtsangaben typischerweise immer eine 1 vor dem Komma. Es gibt sogar einzelne Modelle, welche die 1-kg-Marke unterbieten. Allerdings gilt es, gerade bei den Ultraleicht-Varianten, genauer hinzuschauen wie die Gewichtsersparnis zustande kommt.

Auf den ersten Blick erscheint ein leichterer Retter als ein Segen. Vor allem beim Tragen der Ausrüstung ist jedes Gramm weniger willkommen. Der Rettungsschirm im Gurtzeug wird von vielen Piloten als leider "notwendiger" Ballast angesehen, den man aber am liebsten soweit wie möglich reduzieren würde. Entsprechend attraktiv erscheinen auf den ersten Blick jene Modelle, die einem im Flug- und Transportalltag am wenigsten zur Last fallen.

Leichte Rettungen haben zudem noch weitere Vorteile: Für das Öffnungsverhalten eines Retters ist ein kräftiger Wurf sehr förderlich. Bei einem leichten Retterpaket (samt Innencontainer) ist weniger Krafteinsatz nötig, um eine hohe Wurfgeschwindigkeit zu erreichen.

Sehr positiv wird die Gewichtsersparnis zudem spürbar, wenn sich der Pilot in der Notsituation in einer Rotationsbewegung (Spiralsturz) mit hohen G-Kräften befindet. Wirkt beispielsweise in der Spirale die dreifache Erdbeschleunigung (3 G) auf den Piloten, erhöht sich auch das Rettergewicht um den Faktor 3. Statt einer Rettung von 2 kg muss man dann schon 6 kg aus dem Gurtzeug ziehen und werfen. Bei einem Leichtretter von 1,2 kg wären es "nur" 3,6 kg. Das kann ein entscheidender Unterschied sein.

Manche leichteren Rettungsschirme bringen allerdings auch Nachteile mit sich. Dabei geht es um Fragen der Sicherheit und der Haltbarkeit (gerade mit Blick auf einen mehrfachen Einsatz). Beides hängt wiederum vor allem von der Größe und der Materialwahl ab.


Das Tuch bestimmt das Gewicht

Das Gewicht eines Retters wird zum einen maßgeblich durch das verwendete Tuch bestimmt, zum anderen durch dessen Fläche. Gewicht lässt sich einsparen, indem man deutlich leichtere Tuchqualitäten verwendet. Ein Retter mit 36 m², der aus einem 40-Gramm-Tuch gefertigt wird, bringt ohne Leinen und Innencontainer mindestens 1,4 kg auf die Waage. Näht man die gleiche Kappe aus einem 27-Gramm-Tuch, liegt deren Gewicht nur noch bei 0,97 kg (wieder ohne Leinen und Innencontainer gerechnet).

Gewicht lässt sich freilich auch einsparen, indem man die Fläche des Retters reduziert. Um mit 40-Gramm-Tuch einen Retter unter ein Kappengewicht von 1 kg zu bringen, müsste man die Fläche auf weniger als 25 m² reduzieren. Aus dem Leichtretter wird dann freilich auch ein "Kleinstretter", mit dem man schnell Gefahr läuft, mit überhöhtem Sinken aufzuschlagen (zum Verständnis der Bedeutung der Retterfläche für die Sinkgeschwindigkeit empfehle ich die Lektüre des Teils 2 der Serie Retterwissen).

Um bei der Auswahl von Leichtrettern die Sicherheit nicht aus dem Blick zu verlieren, sollte man deshalb nicht allein auf das absolute Gewicht eines Produktes achten, sondern vor allem auch das relative Kappengewicht berücksichtigen. Dieses ergibt sich, indem man das Gesamtgewicht (Retter + Innencontainer in Gramm) durch die Retterfläche teilt. In diesem Punkt herausragende Leichtretter kommen heute auf Werte um 40 Gramm pro m² und darunter. Andere Leichtmodelle, die ihr geringes Gewicht v.a. über eine reduzierte Fläche erzielen, liegen hingegen häufig bei rund 50 gr/m² und mehr. "Relativ" gesehen sind sie damit keineswegs leichter als normal-gewichtige Rettungen, sondern nur entsprechend kleiner.


Leichtbau ist empfindlicher

Wer bei seiner Rettung auf extremen Leichtbau setzen will, sollte sich freilich eines weiteren Nachteils bewusst sein. Die dünnen, leichten Stoffe sind heute zwar stabil genug, um mindesten eine zweimalige Retteröffnung selbst bei einer Geschwindigkeit von 40 m/s schadlos zu überstehen. Das wird beim Festigkeitstest der EN so verlangt. Doch ihre Belastbarkeit ist gegenüber den etwas schwereren Qualitäten in der Regel dennoch verringert.

Wer beim Retterabgang im Baum landet, riskiert bei Leichtrettern eher Risse im Tuch. Bei einer Wasserlandung, z.B. im Rahmen eines Sicherheitstrainings, können sich die dünnen Stoffe beim Einholen mit viel Wasser als Gewicht in der Kappe in ihrer Webstruktur verziehen und dadurch luftdurchlässiger werden. Ähnliches kann durch das Quellen und Schrumpfen beim Wässern und Trocknen der Nylonfäden geschehen, wenn der daraus gefertigte Stoff nicht wasserabweisend beschichtet ist. Die Sinkwerte des Retters können dann bei einem weiteren Einsatz deutlich schlechter ausfallen. (Lies hierzu auch auf Lu-Glidz: Unbemerkte Wasserschäden)

Die besonders leichten Stoffe reagieren zudem empfindlicher auf reibende Belastung. Wer seinen geöffneten, gar tropfnassen Schirm durch die Gegend trägt und dabei nicht pingelig darauf achtet, dass dieser nirgendwo über den Boden schleift und somit schmirgelt, riskiert ebenso einen Verlust an Festigkeit und Luftdichtigkeit.

Je mehr ein Retter auf Leichtbau getrimmt ist, desto stärker sollte der Pilot darauf achten, besonders pfleglich mit dem Material umzugehen. Dazu kann auch die Entscheidung gehören, beim Sicherheitstraining über Wasser ohne Not besser keinen Testwurf des Retters zu machen, allein um diesen lieber für den echten Notfall zu schonen.

Allen Piloten, die nicht wegen Extrem-Projekten wie Hike-and-Fly-Wettbewerben á la X-Alps auf das letzte Gramm achten müssen, werden gut damit fahren, weder hinsichtlich des absoluten noch des relativen Gewichts ihres Retters auf Rekordwerte zu setzen.


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